Peter Petersen erzählt in diesem Stolperstein die Geschichte seiner Verwandten Irmgard und Karls Posner, die 1941 aus Hamburg deportiert wurden. Hier der Link zum Hörstolperstein für Irmgard und Karl Posner.
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Peter Petersen erzählt in diesem Stolperstein die Geschichte seiner Verwandten Irmgard und Karls Posner, die 1941 aus Hamburg deportiert wurden. Hier der Link zum Hörstolperstein für Irmgard und Karl Posner.
Tausende Menschen wurden wegen ihrer sexuellen Orientierung in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet. Vor allem schwule Männer, aber ebenso lesbische Frauen wurden oft ohne Gerichtsverfahren in Konzentrationslager gesteckt. Die Überlebenden wurden auch nach dem Krieg nicht rehabilitiert, sondern weiterhin strafrechtlich verfolgt. Die Anerkennung von Homosexuellen als Opfergruppe des Nationalsozialismus ist zumindest in Österreich bis heute nicht erfolgt.
Gestaltung der Sendung: Georg Wimmer (Salzburg)
[audio:https://hoerstolpersteine.net/downloads/Salzburg_2_Homosexuelle.MP3|titles=Rosa Winkel]Die Schicksale der Sinti und Roma, die in Halle lebten und von dem nationalsozialistischen Regime getötet und deportiert wurden, sind bisher nur wenig erforscht. Das liegt nicht nur an einer generell niedrigeren Stellung in der offiziellen Gedenkordnung, sondern einfach auch an einer sehr schlechten Quellenlage. Nur, was müssen wir eigentlich von einer Person wissen, um uns an sie zu erinnern? Reicht tatsächlich nur ein Name?
Ohne eine konkrete Lebensgeschichte zu erzählen, skizziert dieser Hörstolperstein die Chronologie der Entrechtung und Vernichtung, stellvertretend für alle Opfer der Sinti und Roma, deren genaueres Schicksal unbekannt ist. Gegen die Vergessenheit treten die Namen derjenigen, die keine Zeit bekommen haben, um eine Biographie leben zu können.
Ein Hörstolperstein von Mariya Petrova (Radio Corax).
Anton SCHUBERT, geboren am 19. September 1910 in Groß-Kunzendorf (Österreichisch-Schlesien, hernach Tschechoslowakei), war katholisch, Sohn einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie, von Beruf Elektrotechniker und Gewerbeschullehrer und verheiratet mit Elisabeth Weinzierl, die zwei Kinder bekam: Anton, geboren am 16. September 1932, und Elisabeth, geboren am 19. August 1939 in Salzburg. Die Familie SCHUBERT wohnte im Salzburger Stadtteil Schallmoos, Stadlhofstraße 8 (vormals Gemeinde Gnigl-Itzling). Das schlichte Haus gehörte je zur Hälfte den Brüdern Anton und Richard SCHUBERT. Ihre Eltern Anton senior und Thekla SCHUBERT wohnten in Gnigl, Eichstraße 31.
Hörstolperstein Anton Schubert
Anton SCHUBERT jun. (Deckname »Max«) übernahm im Februar 1941 die Leitung der kommunistischen Widerstandsorganisation im »Gau« Salzburg. Anfang 1942 wurde diese – wie auch die Organisation der Revolutionären Sozialisten – durch einen Spitzel enttarnt und in der Folge ausgelöscht.
Den inhaftierten Salzburger Widerständlern wurde erst nach dem Sieg der Roten Armee in Stalingrad der Prozess gemacht. Anton SCHUBERT jun. wurde am 6. April 1943 vom sogenannten Volksgerichtshof wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt und am 22. Juli 1943 im Strafgefängnis München-Stadelheim enthauptet. Sein Bruder Richard wurde zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt und im Mai 1945 befreit.
Von Anton SCHUBERT jun. ist der an seinen Bruder Richard und seine Schwägerin Maria adressierte Abschiedsbrief erhalten:
Lieber Bruder und Schwägerin.
Nun muß ich mich auch bei Euch von dieser Welt verabschieden. Wenn Ihr meine Zeilen erhaltet, so habe ich auf dieser Welt schon ausgedient. Mein irdisches Leiden nimmt heute um 6 Uhr ein Ende. Ich scheide mit ruhigem Gewissen von dieser Welt. Möge es Euch gegönnt sein, den Krieg zu überleben, und möge Euch eine glücklichere Zukunft noch beschieden sein.
Eine Bitte habe ich an Dich, lieber Bruder, u. besonders Du, liebe Schwägerin, die Du ja am nächsten bei meiner lieben Frau bist, tröste meine Liebsten u. unterstütze sie, was in Deiner Macht steht. Ihr müsst Euch gegenseitig Trost u. Stütze sein. Ihr seid ja nicht die einzigen, von denen dieser Krieg Opfer fordert, und Ihr werdet auch stark genug sein, diese Opfer zu ertragen. Unser Leiden ist bald vorüber, für Euch dauert es doch Euer ganzes Leben. Vertragt Euch wie bisher, und macht Euch das Leben so angenehm, als es Euch möglich ist. Meine arme liebe Maus [Ehefrau] braucht jetzt eine starke Stütze, und die erbitte ich von Dir, liebe Schwägerin, auch für meine lieben Kinder. Mein armes Lisbetherl wird vergebens auf ihren Papa warten.
Nun seid zum letzten Mal gegrüßt u. geküsst von Eurem Toni.
Auch Erika habe ich nicht vergessen. Grüßt mir auch alle Bekannten zum letzten Mal recht herzlich.
Auf Wunsch der Mutter Thekla Schubert las der Gnigler Pfarrer Franz Dürnberger eine Messe, worauf dieser verhaftet wurde (bis April 1945 im KZ Dachau). Auf Initiative des Landesverbandes Salzburg der österreichischen KZler, Häftlinge und politisch Verfolgten wurden die hingerichteten Widerstandskämpfer Heinrich Auer, Karl Schallmoser, Anton Schubert und Rudolf Smolik auf dem Forstfriedhof in München-Perlach exhumiert und am 14. Dezember 1952 auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg feierlich bestattet – unter Beteiligung des Pfarrers Franz Dürnberger.
Recherche: Gert Kerschbaumer
Gestaltung & Produktion: Felix Freisinger
Eduard BIGLER, geboren am 15. März 1868 in Wels, Oberösterreich, ein Sohn des jüdischen Ehepaares David und Rosa BIGLER, konvertierte 1894 in Wien zum evangelischen Glauben (Helvetisches Bekenntnis). Er war Kaufmann und Vizekonsul Argentiniens in Salzburg und wohnte seit 1921 im Stadtteil Äußerer Stein, Bürglsteinstraße 2. Im selben Jahr heiratete er in der evangelischen Christuskirche die evangelisch konvertierte Jüdin Jolanda GOLDBERGER, geboren am 14. September 1893 in Magyar-Szölgyen, Komitat Gran (Esztergom) in Ungarn.
Im Jahr 1922 erwarb Eduard BIGLER im noblen Aigen bei Salzburg eine Villa, Schwarzenberg-Promenade Nr. 18 (heute Nr. 60), die er vermietete, den 1. Stock an die Beamtenfamilie Dr. Friedrich Hoch. Am 21. März 1938, somit nach dem »Anschluss« Österreichs an Deutschland, mussten Eduard und Jolanda BIGLER, die nach den Nürnberger Rassengesetzen als Juden galten, ihre Wohnung und ihr Büro in der Bürglsteinstraße räumen, worauf sie in ihre Villa in Aigen zogen, dort im Parterre ihre Wohnung und ihr Büro hatten. Im 1. Stock wohnte nach wie vor die Familie Dr. Hoch – eine unter dem NS-Regime sich ändernde Beziehung zwischen Vermieter und Mieter.
Auch im eigenen Haus geriet Eduard BIGLER alsbald in politische Bedrängnis, unschwer zu erkennen anhand des Grundbuchs (EZ 35): die ihm aufgelastete Judenvermögensabgabe von Reichsmark 5.000,– ist im C-Blatt als Pfandrecht der Reichsfinanz eingetragen. Der Eigentümer BIGLER sah sich gezwungen, seine Villa zu verkaufen: ein Vertrag, den der Reichsstatthalter am 9. Juli 1940 »auf Grund der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens« mit einer »Arisierungsauflage« genehmigte. Das Ehepaar BIGLER durfte allerdings in seiner Wohnung bleiben, da ihm die neuen Eigentümer1, die nicht im Haus wohnten, ein Wohnrecht einräumten – daraus resultiert der niedrige Kaufpreis. Das Ehepaar BIGLER glaubte, durch die 1939 erworbene argentinische Staatsbürgerschaft vor weiteren Verfolgungen geschützt zu sein. Argentinien war bis Anfang 1944 ein mit Deutschland befreundeter Staat.
Eduard BIGLER war jedoch nicht mehr der Hausherr, sondern ein Mieter in seiner »arisierten« Villa. Sein ehemaliger Mieter, der Landesbeamte Dr. Hoch, war unter dem NS-Regime Leiter der Abteilung B des Landesernährungsamtes, in dessen Funktion er das Ehepaar BIGLER, »die Juden«, bei der Gestapo denunzierte, was beispielsweise aus dem Schreiben Dr. Hochs an die Gestapo vom Dezember 1942 hervorgeht (Zitate aus der nach der Befreiung angefertigten Abschrift der U. S. Civil Affairs Courts for Criminal Matters):
Ich bringe Ihnen zur Kenntnisnahme, dass das jüdische Ehepaar Eduard und Jolanda Bigler in dem Lebensmittelgeschäft UNION beobachtet wurde, als die Juden dort mehr als für zwei Personen zulässige Lebensmittelkarten der Stadt Salzburg, Lebensmittel-Einkäufe besorgten und so weiter. […] Auch benützen die Juden Eduard und Jolanda Bigler unerlaubterweise den Autobus und so weiter. […] Weiters beziehen die Juden Eduard und Jolanda Bigler ungesetzlich Milch. […] Heil Hitler Dr. Friedrich Hoch e. h.
Das Ehepaar BIGLER wurde am 28. Jänner 1944 – zwei Tage nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen Argentiniens zu Deutschland – verhaftet und am folgenden Tag ins KZ Bergen-Belsen mit speziellem Lager für ausländische Juden deportiert. Dort wurde der 76-jährige Eduard BIGLER am 4. Juni 1944 ermordet. Seine jüngeren Brüder Alfred und Leopold, die eine Zeit lang in Salzburg gelebt hatten, wurden in Riga und Theresienstadt ermordet. Das Grab ihrer Eltern, die in Wels gelebt hatten, befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Linz.
Eduard BIGLERS Ehefrau Jolanda, die am 15. April 1945 die Befreiung des KZs Bergen-Belsen erlebte und nach Salzburg zurückkehrte, kämpfte bis zu ihrem Tod um Gerechtigkeit, um ihre Ansprüche und Rechte, unterstützt von der U. S. Civil Affairs Courts for Criminal Matters: Anzeige gegen den Denunzianten Dr. Hoch, Anträge auf Rückstellung ihrer Villa Schwarzenberg-Promenade 60, Anträge auf Opferfürsorge und Haftentschädigung (in den meisten Dokumenten aus der Nachkriegszeit lautet der Nachname die Witwe »de Biegler«, vermutlich seit ihrer argentinischen Staatsbürgerschaft).
Am 25. Jänner 1949 wurde Dr. Friedrich Hoch »im Namen der Republik« (Österreich) vom »Volksgericht« in Linz von der Anklage des Verbrechens der versuchten Denunziation nach § 8 Strafgesetz und § 7/1 Kriegsverbrechergesetz freigesprochen – nicht zuletzt dank der Interventionen des damaligen Salzburger Landeshauptmannes Josef Rehrl zugunsten seines Schwagers Dr. Hoch, der weiterhin Landesbeamter war.2
Frau BIGLERS Antrag auf Rückstellung der Villa wurde mit der Begründung abgewiesen, der Vermögensentzug sei nicht aufgrund politischer Bedrängnis erfolgt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 16. April 1953 wurde Frau BIGLER wegen »Querulantenwahns« für beschränkt entmündigt erklärt, sodass ihre Einsprüche und weiteren Anträge auf Rückstellung abgewiesen werden konnten (1960 wurde die Villa Schwarzenberg-Promenade 60 verkauft, seither nicht mehr im Eigentum der »Ariseure«).
Frau BIGLERS Antrag auf Opferfürsorge wurde im Jahr 1952 durch das Amt der Salzburger Landesregierung mit der Begründung abgewiesen, die Antragstellerin sei nicht österreichische Staatsbürgerin, daher nicht anspruchsberechtigt. 1959 wurde ihr immerhin Haftentschädigung durch das Bundesministerium für soziale Verwaltung zuerkannt, ein zu geringer Betrag, wie sich herausstellte, sodass Frau BIGLER wieder Einspruch erheben musste. Erst im Jahr 1962 wurde ihr der ihr zustehende Betrag gewährt.
Frau Jolanda BIGLER (de Biegler) starb am 17. Februar 1964 im Altersheim Hellbrunn.
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1 Die Eigentumsverhältnisse der zwangsverkauften Villa in Salzburg-Aigen, Schwarzenberg-Promenade 60, sind auf den ersten Blick schwer durchschaubar: Ida Embacher, der zuerst Zweidrittelanteile der Liegenschaft gehörten, war die Tochter der Hermine Pretsch, geborene Embacher, Betreiberin der beiden Etablissements in Salzburg, Herrengasse und Steingasse. Mutter und Tochter, denen schließlich alle Anteile gehörten, verkauften die Villa im Jahr 1960.
2 Dr. Hoch war in erster Ehe mit Marietta, geborene Spravka, verheiratet, Mutter zweier Söhne und seit September 1935 Patientin der Landesheilanstalt Salzburg. Die von Dr. Hoch geschiedene Frau wurde am 16. April 1941 nach Hartheim deportiert, dort vergast. Ihr älterer Sohn fiel zu Beginn des 2. Weltkriegs. Dr. Hoch, seit 1939 wieder verheiratet, zuletzt Hofrat in Ruhe, starb 1970 in Salzburg.
Quellen: Magistrat der Stadt Wels, Landesarchiv Salzburg und Linz, Stadtarchiv Salzburg, Israelitische Kultusgemeinde Linz, Evangelische Pfarrgemeinde Salzburg
Recherche: Gert Kerschbaumer
Gestaltung & Produktion: Felix Freisinger
Manches wurde schon über Arnold SCHÖNBERG und den judenfeindlichen Ort Mattsee geschrieben, wenig aber über den im Schatten des prominenten Bruders stehenden Heinrich Schönberg, geboren am 29. April 1882 in Wien, Bassist und Opernsänger in Prag, wo sein Großvater mütterlicherseits, Gabriel NACHOD, jüdischer Kantor gewesen war. Seine Enkel wechselten den Glauben, zuerst Arnold und dann Heinrich, der am 6. Jänner 1917 in Wien, in der evangelischen Pfarre AB, eine Katholikin aus Salzburg heiratete: Berta oder »Bertel« OTT, eine Tochter des Bürgermeisters der Stadt Salzburg, Max OTT, der »Großdeutscher« war, wohl ein Liberaler und kein Rassist, andernfalls hätte sein Schwiegersohn nicht rund zwei Jahrzehnte im Bürgermeisterhaus, Chiemseegasse 6, 1. Etage, nahe der Salzburger Landesregierung im Chiemseehof, wohnen können – rare, im Privaten überlebende Exemplare einer deutschliberalen Gesellschaft, eine Symbiose, die mit dem Machtwechsel im Chiemseehof entzweibrach.
Hörstolperstein Heinrich Schönberg
Wir wissen nichts Näheres über familiäre Konflikte im Bürgermeisterhaus, gewiss ist bloß, dass Heinrich SCHÖNBERG wegen der Nähe zur nationalsozialistischen Machtzentrale im Mai 1938 ausziehen musste, er jedoch gemeinsam mit seiner Frau, der das Haus Chiemseegasse 6 zur Hälfte gehörte, und ihrer damals 20-jährigen Tochter Margit nach Parsch übersiedelte. Ehe und Familie blieben noch intakt. Am 10. März 1941 wurde Heinrich SCHÖNBERG von der Gestapo verhaftet: »wegen Verdachtes des Besitzes falscher Urkunden […] Der genauere Grund der Inhaftierung konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, zumal im Jahr 1945 die bei der Polizeidirektion Salzburg verwahrten Akten verbrannt bzw. vernichtet wurden«, heißt es im Schreiben der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 1. September 1950. Unerwähnt bleibt darin Heinrich SCHÖNBERGS jüdische Herkunft, die unterm NS-Regime nicht verheimlicht werden konnte. Die Gestapo brauchte aber einen Vorwand, indem sie Heinrich »Israel« SCHÖNBERG, den Konvertiten in einer interkonfessionellen Ehe und Schwiegersohn eines verdienten Salzburger Bürgermeisters, unter dem Verdacht eines Verbrechens verhaftete und dabei ihr Vernichtungsziel verfolgte.
Am 23. April 1941 starb Altbürgermeister Max OTT 85-jährig, dem zu Ehren schon zu Lebzeiten in Salzburg ein Platz benannt worden war. Am folgenden Tag wurde sein Schwiegersohn, der sich im Polizeigefangenenhaus Salzburg eine Infektion, Sepsis, zugezogen hatte (ohne Fremdeinwirkung laut offizieller Darstellung), in das Inquisitenspital des Landesgerichts eingeliefert, wo der Gestapo-Häftling zu lange unbehandelt blieb. Im Landeskrankenhaus kam der chirurgische Eingriff, die Amputation des vergifteten Armes, zu spät. Am 1. Juni 1941 war der 59-jährige Heinrich SCHÖNBERG tot.
Davon erfuhr sein Bruder Arnold, der mit seiner Familie in die USA emigrierte und in Los Angeles lebte, im Brief vom 17. Juni 1941, den seine Nichte Margit in Salzburg geschrieben hatte – ein berührender, an ihre Tante Gertrude, Arnolds Ehefrau, adressierter Brief, der die nationalsozialistische Zensur zu durchlaufen hatte und daher wie eine literarische Camouflage zu lesen ist:
Salzburg, den 17. Juni 1941
Liebe Tante Trude!
[…] Heute muß ich Dir und Onkel Arnold nun die traurigste Nachricht vom Tode meines armen Vaters mitteilen. Papa hatte noch so viel durchzumachen, nach 2maliger Operation wurde der vergiftete Arm zuletzt noch abgenommen und einige Tage später, am 1. Juni, Pfingstsonntag ist mein Vati für immer von uns gegangen. Ich bitte Dich, Onkel Arnold dies mitzuteilen. Es wird ihn ja begreiflicherweise sehr erregen, deshalb habe ich auch den Brief nicht direkt an ihn adressiert. Gleichzeitig bitte ich Euch, uns nicht böse zu sein, daß wir nicht früher geschrieben haben – wir waren selbst so fassungslos traurig, daß wir einfach nicht dazu imstande gewesen wären. Telegramme sind uns ja leider unmöglich. Liebe Tante Trude, Du kannst Dir ja sicher denken, was dieses Unglück für uns – besonders für meine Mutti – ist. Vielleicht weißt Du, wie glücklich meine Eltern waren, das konnten sogar die vielen Enttäuschungen der letzten Zeit und all das Schwere, was Papa durchmachen mußte, nicht trüben. Er hat ja nicht nur physisch sondern auch psychisch sehr gelitten. […] Das ist ja innerhalb kurzer Zeit der zweite geliebte Mensch, den wir verloren. […]
Nun nochmals alles Liebe Eure Gitti
Margit SCHÖNBERG, geboren am 3. Mai 1918 in Salzburg, katholisch getauft, eine hochsensible junge Frau, die unterm NS-Regime als »Halbjüdin« galt, zerbrach an ihrem gewaltbedingten Leiden, ging an ihrer Isolation psychisch zugrunde, wurde zwar am 4. Mai 1945 befreit, konnte aber nicht geheilt werden. Sie starb 58-jährig in der Landesheilanstalt und wurde auf dem Kommunalfriedhof, Gruppe 113, im Grab ihres Vaters beigesetzt, zwei Jahre danach ihre Mutter, die 93-jährige Witwe Berta SCHÖNBERG.
Recherche: Gert Kerschbaumer; Foto: Arnold Schönberg Center, Wien
Gestaltung & Produktion: Felix Freisinger
Der Künstler Gunter Demnig erinnert seit 1992 an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Er will so die Erinnerung an die Vertreibung und Ermordung von Juden, von Roma und Sinti, von politisch Verfolgten, von Homosexuellen, von Zeugen Jehovas und von Euthanasieopfern im Nationalsozialismus lebendig erhalten. Inzwischen liegen rund 34.000 Stolpersteine in über 750 Orten in 10 europäischen Ländern.
Demnigs Stolpersteine sind die Basis für unsere Hörstolpersteine im Radio, mit denen wir der Erinnerung eine akustische Dimension hinzufügen.
In der 30-minütigen Sendung über das Projekt Stolpersteine kommt Gunter Demnig ebenso zu Wort wie Marko Feingold, Gerhard Laber, Gert Kerschbaumer, Stolperstein-Anrainer und andere.
Vielleicht war es die nur einjährige Episode als Bürgermeister der Stadt Linz im Leben des Theodor Grill, dass sich die Allgemeinheit heute kaum an ihn erinnert. Nochvielmehr trifft dies auf Grills Ehefrau – Gertrude Grill zu, obwohl auch Sie politisch aktiv war und sogar nach dem 2. Weltkrieg nach Linz zurückkehrte.
Wir versuchen Licht ins Dunkel der Biographien von Gertrude und Theodor Grill zu bringen. Im Gespräch mit der Historikerin vom Archiv der Stadt Linz, Dr.in Cathrin Hermann.
Meta Schwarz wurde im Krankenhaus Fürth ermordet. Sie starb an einem Nierenleiden – die Ärzte und Schwestern hatten ihr die nötigen Medikamente vorenthalten, weil sie Jüdin war. Ihr Mann Ludwig starb 1937 angeblich wegen eines Schlaganfalls. 53 Jahre später stellte sich heraus, dass er von einer NS-Schlägerbande getötet wurde. Aufgezeichnet haben die Geschichte von Meta Schwarz und ihrem Mann der gemeinsame Sohn Meir Schwarz und die Historikerin Gisela Naomi Blume.
Ein Beitrag von Tobias Lindemann (Radio Z).
Rosa HOFMANN, geboren am 27. Mai 1919 in Wilhering bei Linz, katholisch, war im sozialdemokratischen Arbeitermilieu sozialisiert worden. Politischer Widerstand hat jedoch auch einen familiären Hintergrund: Rosas Vater Josef HOFMANN, Sozialdemokrat, Gewerkschaftler und Schutzbund-Führer, hatte sich im Februar 1932, während der Weltwirtschaftkrise, erschossen, nachdem er von seiner Entlassung als Binder in der Stieglbrauerei erfahren hatte.
Die Witwe Cäcilia HOFMANN, Hilfsarbeiterin, und ihre vier Kinder wohnten weiterhin in der damals noch eigenständigen, sozialdemokratisch verwalteten Gemeinde Maxglan, Moserstraße 10, in einem Gemeindehaus. Rosas Brüder Josef und Anton erlernten die Berufe Maler und Schlosser. Rosa war Hilfsnäherin laut Meldekartei, hatte demnach keinen erlernten Beruf.
Unter dem NS-Regime war Rosa HOFMANN Leiterin des Kommunistischen Jugendverbandes in Salzburg. Am 17. April 1942 wurde die junge Frau von der Gestapo verhaftet. Aus der Anklageschrift geht hervor, dass Rosa HOFMANN auf Bahnhöfen, in Eisenbahnwaggons und vor Kasernen Flugblätter verbreitete, auf denen zu lesen war: »Wir wollen beizeiten diesem blutigen und sinnlosen Krieg ein Ende setzen und brüderlich vereint mit den Soldaten der Roten Arbeiter- und Bauernarmee in den letzten Kampf ziehen, in den Kampf für ein freies sozialistisches Europa!«
Im Todesurteil des »Volksgerichtshofes« gegen Rosa HOFMANN heißt es, das Schwergewicht ihrer Tätigkeit habe »in ihrer Beteiligung an der Verbreitung der zur Zersetzung der Deutschen Wehrmacht bestimmten Schriften« gelegen und die Angeklagte sei »im wesentlichen« geständig, obschon sie festgestellt habe, dass die Formulierung im Vernehmungsprotokoll, sie sei »zur Zeit der Tat eine fanatische Kommunistin gewesen« und habe sich »von der Herbeiführung der Weltrevolution eine soziale Besserstellung erhofft«, ihrer eigenen Ausdrucksweise nicht entspreche.
Rosa HOFMANN, die 23-jährige widerständige Frau, deren Eigensinn noch aus der Gewaltrhetorik der Blutjustiz hervorsticht, wurde am 15. Dezember 1942, schon zur Zeit der Kriegswende in Stalingrad, wegen »Zersetzung der Wehrkraft des deutschen Volkes in Verbindung mit landesverräterischer Begünstigung des Feindes und Vorbereitung zum Hochverrat« zum Tode und »zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit« verurteilt und am 9. März 1943, nach dem Kriegstod vieler hunderttausend Menschen auf beiden Frontseiten Stalingrads, im Zuchthaus Berlin-Plötzensee enthauptet.
Rosa, überzeugt vom Sinn ihres Widerstandes, hatte noch angesichts ihres Todes die Kraft, Worte zu finden, die ihren Lieben, den Hinterbliebenen, Trost bringen sollten:
Liebe Mutter und Geschwister!
Heute heißt es Abschied nehmen von Euch, denn das Gnadengesuch ist abgelehnt worden. Aber ich bin ganz ruhig, liebe Mutter.
Ich danke Dir, liebes Mütterlein, für Deine Liebe, und ich stehe so tief in Deiner Schuld wegen dem Kummer, den ich Dir jetzt bereite. […] Wenn Du sehen würdest, wie ruhig ich bin, dann würde auch Dein Kummer nicht so groß sein um mich. Behalte mich immer im lieben Andenken, es sterben jetzt so viele und wissen nicht wofür, musst Du Dir sagen. […] Wer weiß, was ich noch alles mitmachen müsste, denn die Jugend ist vorbei, wenn man das erlebt, was ich erlebt habe. Ich komme mir vor wie eine alte Frau und würde nie mehr genauso glücklich sein können, es ist gut so, wie es ist, glaube mir. Ich bin müde geworden in der Zeit.
Also, liebes Mutterle, bleib gesund, und auch die Resi und der Toni, werdet noch recht glücklich, und macht der Mutter das Leben schön. Meine letzten Busserln und eine heiße Umarmung schick ich Euch mit tausend Grüßen. Eure Ratzi
Berlin-Plötzensee, 9. März 1943
»Ratzis« älterer Bruder Josef, 23-jährig zum Kriegsdienst einberufen, kam im September 1942 an der »Ostfront« (Sowjetunion) zu Tode, deshalb fehlt sein Name in ihrem Abschiedsbrief an ihre Lieben. Doch im Gedanken war seine Schwester wohl bei ihm und seinesgleichen, wenn sie schreibt: »es sterben jetzt so viele und wissen nicht wofür«.
Am 4. Mai 1947 wurde im Stölzlpark, Bindergasse 11, von der SPÖ unter ihrem Landesobmann Franz Peyerl das erste Heim der Kinderfreunde eröffnet, das den Namen der »Sozialistin« Rosa HOFMANN erhielt. Der dort aufgestellte und noch heute vorhandene Gedenkstein trägt die Inschrift: »Rosa Hofmann / gefall[en] für den Sozialismus am 9. 3. 1943 in Berlin durch Henkershand / Für die Freiheit gabst Du Dein Leben / Dein Vorbild wollen wir erstreben«
Am 30. Juli 1965 wurden mit einstimmigem Beschluss des Gemeinderates der Stadt Salzburg zwanzig Verkehrsflächen neu benannt, darunter eine nach Rosa HOFMANN in Maxglan-Siezenheim.
Quellen:Salzburger Wacht (Organ der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Salzburg), 8. 2. 1932, S. 5. Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934 – 1945, Band 1, S. 446ff. Salzburger Landesarchiv: Opferfürsorgeakte S-154 (Cäcilia Hofmann).
Recherche: Gert Kerschbaumer
Gestaltung & Produktion: Georg Wimmer